Ein weiterer Meilenstein unserer Reise
Aus dem Norden kommend, nach einer serpentinenreichen Anfahrt und die Berge langsam hinter sich lassend, erblickten wir mit Staunen eine Felsansammlung, die aus dem Boden gestampft mitten in einer flachen Landschaft emporragt. Als hätte ein Riese mit Steinen geworfen.
Je mehr man sich dieser Felsformation nähert, desto deutlicher werden die Gebäude, die auf den Spitzen der gewaltigen Felsen errichtet wurden, die Meteoraklöster.
Im 12. Jahrhundert wurde das erste dieser Klöster errichtet. Athanássios Kinovitis, auch Meteoritis genannt, ist der Begründer des ersten Klosters, und gleichzeitig Namensgeber der Anlagen. Metéora bedeutet in der Luft, zwischen Himmel und Erde zu schweben. Die Idee war, Gott so nahe wie möglich zu sein und gleichzeitig schwer erreichbar für das Volk. Aktuell jedoch scheint diese ursprüngliche Absicht umgekehrt, da man für Busladungen und Touri-Touren besonders gut erreichbar und die göttliche Einsamkeit in weite Ferne gerückt ist. In der Regel sind die Klöster ab 9.00 Uhr morgens bis zum Sonnenuntergang völlig überlaufen. Corona sei Dank, in diesem Jahr nicht der Fall. Mit nur wenigen anderen durften wir die Treppen zum Kloster erklimmen. Laut Angaben der örtlichen Tourismusbranche ist aktuell ein Einbruch von bis zu 90% zu verzeichnen. Des einen Leid, des anderen Freud. Aber dazu später mehr.
Wir nächtigten in einem Hotel am Fuße der Felsen am Rande des Ortsteils Kastráki. Ganz auf Lena eingestellt, wählten wir absichtlich genau dieses Hotel (Hotel Meteora Kastráki), da es, mit einem anderen, das im Netz bei weitem keine so gute Kritik geerntet hat, das einzige Hotel mit Pool weit und breit ist. Und diese Entscheidung ist nicht nur für unser Kind Gold wert. Denn es war heiß und wir konnten uns nach jeder Wanderung, nach jeder Besichtigung oder Rundfahrt mit einem Sprung ins kalte Nass belohnen.
Mit Kind ist ein volles Auskosten der Wanderungen, die die Gegend bietet, nicht möglich, weshalb Fritz und ich uns aufgeteilt haben und beschlossen, der Junge wandert, die Mädchen fahren mit dem Auto nach. Schon früh am Morgen schnürte Fritz seine Wanderschuhe und marschierte von unserem Hotel in Kastráki zu den Klöstern Varlaám und Metamórphosis.
In ca. 80-90 Minuten ging es zunächst durch den Ort Kastráki, der in den frühen Morgenstunden noch völlig verlassen dalag, und nur einige friedliche Hunde gesellten sich zu ihm und begleiteten ihn ein Stück des Weges. Der Weg führte zunächst an Felswänden entlang, an denen man Einbuchtungen und Felsgräber erkennen kann, die in der Frühzeit von Eremiten bewohnt wurden. Dann steigt der Weg langsam an und führt durch einen Laubwald. Er ist gut zu begehen und stellt keine hohen konditionellen Ansprüche. Nervig sind lediglich die tausenden Mosquitos, die ständig um den Kopf schwirren. Am Ende gewinnt der Weg dann doch noch deutlich an Höhe, bis er am Vorhof des Klosters Varlaám mündet. Da Fritz sehr früh war, gegen 7 verließ er das Hotel, war zu diesem Zeitpunkt tatsächlich noch keine Menschenseele unterwegs.
Um in das Kloster zu gelangen, mussten weitere 195 in den Felsen gehauene Treppenstufen überwunden werden. Am Eingang wird ein Obulus von gerade einmal 3 € verlangt, dies gilt jedoch für jede der sechs begehbaren Anlagen. Da Fritz nassgeschwitzt dort oben ankam, wollte er sich zunächst etwas erfrischen und besuchte vorerst die Toilettenanlage des Klosters. Warum erwähnen wir das? Die Toilette ist videoüberwacht und wird durch eine elektronische Tür betreten. Waschbecken und Schüsseln, Wände und Boden sind aus Marmor, die Räumlichkeiten sind prunkvoll und luxeriös und stehen im krassen Gegensatz zu der angedachten asketischen Lebensweise eines Mönchs. Dieser Eindruck verstärkte sich auch bei den nachfolgenden Besichtigungen der Klosteranlagen. Die Altäre aus Gold, aus Elfenbein die Kelche, die Anlagen bestens renoviert und die Gärten reichlich bestückt mit den schönsten Pflanzen. Atemberaubend ist tatsächlich die Aussicht, die man von den Terrassen der Anlagen genießen kann. Auf der einen Seite sieht man die größte Klosteranlage Megálo Metéoron, die etwas höher liegt, auf der anderen Seite eröffnet sich der Blick auf das etwas tiefergelegene Ágia Barbáras Rousánou und im Hintergrund bei guter Aussicht sogar auf Ágia Triáda und Ágios Stéfanos.
Für viele Touristen stellt die Klosteranlage von Varlaám das schönste aller Klöster dar, was Fritz im Nachhinein auch bestätigen kann. Hier findet Ihr übrigens Informationen zu Öffnungszeiten und Eintrittsvorschriften, sowie tolle Beschreibungen zu jedem einzelnen Kloster.
Gemeinsam besichtigten wir dann die größte der Klosteranlagen Metamórphosis (Megálo Metéoron). Auch hier waren wieder an die dreihundert schweißtreibende, atemraubende Stufen zu erklimmen, bevor man das Tor des Klosters durchschreitet. Mit Lena begaben wir uns nun auf eine Zeitreise in das Leben der Mönche. Noch heute sind die Klöster im übrigen von Mönchen bewohnt, so dass nur ein dafür vorgesehener Teil der Anlagen für Besichtigungen offen steht. Auch hier eröffnete sich wieder in unglaublich gepflegtem Zustand ein Kloster, dessen Schätze in einem Museum präsentiert, den Eindruck erwecken, als hätten die Priester und Mönche eine unversiegbare Geld- und Goldquelle gefunden, die sie mit den kostbarsten Materialien der Welt verwöhnte. Der Blick in die alte Küche mitsamt ihrer Küchenutensilien aus damaliger Zeit soll diesen Eindruck wohl etwas relativieren. In einem der Kreuzgänge wird der Widerstand gegen das Naziregime dokumentiert, was mir sehr gut gefallen hat.
Doch irgendwie bleibt ein fader Nachgeschmack bei all diesem Reichtum, der zur Schau steht in christlichen Gebäuden und von asketischen Mönchen und Priestern bewacht wird.
Kalambáka und Kastráki sind die beiden Orte, die am Fuße der Meteoraklöster liegen, wobei Kalambáka mit seinen fast 8500 Einwohnern der Größere der beiden ist.
Abends schlendern wir durch diesen Ort und sind fast erschrocken, von der Armut, die sich hier offenbart. Die Straßen kaputt, die Straßenlampen aus, vielleicht weil kein Strom dafür da ist, vielleicht weil auch sie kaputt sind. Bau-Ruinen prägen das Stadtbild. Es ist irgendwie dreckig und ungepflegt. Nur zwei Straßen um einen Kreisel wirken etwas besser, wahrscheinlich dienen sie dazu, den Schein für die Touris zu wahren. Nachdenklich gingen wir durch die Stadt. Natürlich haut dieses touristenarme Jahr mit voller Wucht zu und trifft das Volk, das sich darauf verlässt. Doch warum kam all die Jahre so wenig von dort oben an, dort unten, wo es nötig ist. Die Meteoraklöster sind die Hauptattraktion des Landes. Jährlich werden Abermillionen von Menschen morgens zu den Anlagen gekarrt, in jeder einzelnen Anlage jeweils 3€ abgedrückt um sie abends, nach wunderschönem Sonnenuntergang wieder abzutransportieren. Ich klinge harsch, weil mich dieser Umgang so wütend macht. Wo bleibt die Kohle hängen? Zum einen natürlich bei all jenen Veranstaltern, die die Touristen von den Hotelanlagen der Küsten des Landes drei Stunden einfach in ihren Kleinbussen all inclusive hin- und zurück transportieren und dafür 60-70€ pro Person abkassieren, Eintritt inklusive. Wie hoch der ist, wissen wir ja nun. Und zum anderen natürlich in den Klosteranlagen, die den Pilgern zur Instandhaltung berechtigterweise Geld abverlangen. In Summe jedoch sehr viel Geld. Doch auch davon kommt nichts unten an, so scheint es zumindest, denn der tadellose Zustand jedes einzelnen Klosters steht im krassen Gegensatz zum Zustand der Orte am Fuße dieser. Hätte das Christentum hier nicht die beste Möglichkeit seine Großherzigkeit unter Beweis zu stellen und seine Gebote selbst zu beachten, indem es teilt mit den Armen, so wie Gott es uns gelehrt hat? Dieser Reichtum, der oben zur Schau gestellt wird und diese Armut, die in einem europäischen, westlichen Land so nicht zu erwarten ist, stellen für mich alles in Frage. Auch wenn ich christlich erzogen wurde, jeden Sonntag in die Kirche musste, und sich dieser Glaube in meiner Art zu Handeln meinen Mitmenschen gegenüber widerspiegelt, gehe ich erschrocken und abgeklärter gegenüber der Kirche aus diesem Erlebnis. Oder vielleicht gerade deshalb, weil ich immer dachte, christlich zu handeln sei gut, und nun überlege, dies zu überdenken oder es anders zu nennen, sozial, mitmenschlich. Aber nicht christlich, bloß nicht, denn das scheint eher für Macht, Reichtum, Egoismus zu stehen.
Ich schweife ab.
Ein absolutes Muss bei einem Besuch der Meteoraklöster, ist sich gegen 18.00 Uhr nach oben zu begeben, mit einem Gläschen Wein und einer Fanta, die Kamera parat, auf einen der Felsen zu klettern, vorsichtig, denn die sind nicht gesichert, und tausende von Fotos von diesem unbeschreiblich schönen unvergesslichen Sonnenuntergang zu machen!
Ich denke, man sieht, wie glücklich wir waren, diesen Ort besuchen zu dürfen.